DIE NATIONALE AUSSENPOLITIK IM ''JAHRHUNDERT VON TÜRKİYE''

Aus globaler Sicht befinden wir uns in einer Zeit, die durch zunehmende Unsicherheiten, Unvorhersehbarkeiten, Krisen und Konflikte, die den Frieden und die Stabilität in unserer Nachbarschaft bedrohen, durch wachsende politische und wirtschaftliche Konkurrenz verschiedener Mächte sowie der Erosion des Multilateralismus und der universellen Werte gekennzeichnet ist. Die Unzulänglichkeiten der derzeitigen globalen Steuerungsmechanismen, die Zunahme der weltweiten, insbesondere in unserer Region vorhandenen Anfälligkeiten und Ungleichheiten sowie die Beschleunigung der Digitalisierung bestimmen das internationale Umfeld.

Um die vor diesem Hintergrund ausgehenden Bedrohungen und Herausforderungen zu beseitigen und entstandene Chancen nutzen zu können, ist mittels einer vorausschauenden und agilen Diplomatie die Ausübung einer Außenpolitik erforderlich, die sowohl vor Ort, als auch am Verhandlungstisch stark ist. In dieser Hinsicht genießt Türkiye, die im Jahr 2023 das 500-jährige Bestehen des Auswärtigen Dienstes feierte, eine tief verwurzelte, diplomatische Tradition und schöpft ihre Kraft aus mehreren Faktoren, wie ihrer zentral-geografischen Lage, ihrer reichen historischen Erfahrung, ihren beständigen Institutionen, ihren starken Menschen ressourcen und ihrer dynamischen Wirtschaft. Somit verkörpert die türkische Außenpolitik eine Brücke zwischen der Tradition und der Zukunft.

Die türkische Außenpolitik zielt darauf ab, die Interessen von Türkiye in einem unbeständigen regionalen und globalen Umfeld zu schützen und gleichzeitig die Bedingungen für nachhaltigen Frieden und Entwicklung in unserer Nachbarschaft und darüber hinaus zu schaffen. Bei der Verfolgung dieses vorrangigen Ziels trägt Türkiye zu Frieden, Wohlstand und Stabilität in der ganzen Welt bei. Im "Jahrhundert von Türkiye", das mit dem 100. Jahrestag der Republik Türkiye begonnen hat, zielt unsere nationale Außenpolitik darauf ab, den Frieden und die Sicherheit in der Region zu stärken, die institutionelle Basis unserer Außenbeziehungen zu erweitern, die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in unserer Region zu fördern und den Wandel des globalen Systems zu beeinflussen. In Anlehnung an unser dauerhaftes Leitmotiv "Frieden im Lande, Frieden in der Welt" , wie es der Gründer unserer Republik Mustafa Kemal Atatürk vorgegeben hatte, und im Rahmen der von unserem Präsidenten vorgelegten Vision des "Jahrhunderts von Türkiye" betreiben wir eine unabhängige und nationale Außenpolitik.

Die türkische Außenpolitik, die ein wesentlicher Bestandteil unseres nationalen Sicherheitssystems ist, legt den Schwerpunkt auf die Stärkung des regionalen Friedens und der Sicherheit durch die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus, die Verhütung und friedliche Beilegung von Konflikten und die Mediation sowie die regionale Eigenverantwortung.

Terrorismus und extremistische Tendenzen haben eine gefährliche Intensität mit regionalen und globalen Dimensionen erreicht. Terroristische Gruppen bedrohen den internationalen Frieden und die Sicherheit. Terrorismus ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das nicht mit einer Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit, einem Glauben oder einer geografischen Region in Verbindung gebracht werden kann. Es erfordert einen Kampf und Solidarität auf globaler Ebene. Türkiye setzt sich für eine effektive Bekämpfung des Terrorismus ein, unabhängig davon, durch welche Organisation und unter welchem Vorwand er betrieben wird.

In einer Region, in der aktive, eingefrorene und potenzielle Konflikte ausgetragen werden und die mit wirtschaftlicher Zerstörung und massiven Migrationsbewegungen sowie enormen humanitären Verlusten konfrontiert ist, betrachtet Türkiye die friedliche Beilegung von Konflikten als vorrangiges Ziel, um Frieden und Sicherheit in der Region zu gewährleisten. Seit Beginn der Syrien-Krise fordert Türkiye eine gerechte Verteilung der Lasten und der Verantwortung . Sie bietet rund 3,2 Millionen Syrern vorübergehenden Schutz und unterstützt die menschenwürdige, sichere und freiwillige Rückkehr der Syrer in die inzwischen stabilisierten Gebiete. In diesem Rahmen hat Türkiye seit 2011 mehr als 40 Milliarden USD aufgewendet.

Türkiye spielt eine führende Rolle bei der Verhütung und der friedlichen Beilegung von Konflikten sowie der Mediation und ist das einzige Land, das gleichzeitig den gemeinsamen Vorsitz der Mediations-Freundesgruppen in den Vereinten Nationen, der OSZE und OIC innehat. Zusätzlich zu ihren Aktivitäten in diesem Bereich richtet Türkiye die internationale Istanbuler Mediationskonferenz aus, bemüht sich um den Aufbau von Kapazitäten und organisiert das Zertifikatsprogramm "Mediation for Peace" für junge Diplomaten aus OIC-Mitgliedstaaten.

Türkiye befürwortet regionale Eigenverantwortung und Lösungen für regionale Probleme. Türkiye ist auch Gründungsmitglied mehrerer regionaler Organisationen und Initiativen, wie der Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation, des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses und der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Um die institutionelle Basis der Außenbeziehungen zu erweitern, ist Türkiye bestrebt, die bestehenden Beziehungen zu vertiefen und durch neue Kooperationsmechanismen und Öffnungsmaßnahmen auszubauen. Als das östlichste europäische und das westlichste asiatische Land zielt Türkiye darauf ab, ihre bestehenden strategischen Beziehungen zu stärken und neue aufzubauen. Türkiye hat als NATO-Verbündeter eine strategische Partnerschaft mit den USA und betrachtet die transatlantische Verbindung als ausschlaggebend für die Sicherheit und den Wohlstand Europas. Als aktives Mitglied trägt Türkiye grundsätzlich zum Prinzip der „Unteilbarkeit der Sicherheit“ innerhalb der NATO bei. Türkiye gehört zu den fünf größten Beitragszahlern für NATO-Operationen und zu den acht größten Beitragszahlern für den Haushalt des Bündnisses.

Als ein Teil Europas ist Türkiye Mitglied und Gründungsmitglied fast aller europäischer Institutionen, darunter des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union bleibt eine strategische Priorität.

Die Organisation der Turkstaaten, die die zivilisatorischen Wurzeln der türkischen Welt umfasst, ist ein erfolgreiches Beispiel für unsere Schritte zum Ausbau unserer Außenbeziehungen auf institutioneller Basis. Dieser visionäre Durchbruch, der in der türkischen Welt für Aufregung gesorgt hat, wird zu weiteren Integrationsschritten führen.

Türkiye besitzt ein global umfangreiches Kooperationsnetzwerk, das hochrangige Kooperationsräte mit 31 Ländern, zwischenstaatliche Gipfelmechanismen mit 4 Ländern und zahlreiche trilaterale oder andere multilaterale regionale Zusammenschlüsse umfasst. Türkiye baut ihre engen Beziehungen zu den Ländern des Balkans, des Nahen Ostens und Nordafrikas, des Südkaukasus, sowie Süd- und Zentralasiens weiter aus. Über diese Nachbarregionen hinaus vertieft Türkiye ihre afrikanische Partnerschaftspolitik und ihre Politik der Öffnung gegenüber Lateinamerika und der Karibik von Tag zu Tag. Im Rahmen der in 2019 verkündete Asia Anew-Initiative verfolgt Türkiye eine ganzheitliche und umfassende Politik gegenüber gegenüber Asien und dem Pazifikraum, die die aufsteigenden Mächte des 21. Jahrhunderts beherbergen.

Infolge der Vertiefung und Ausweitung ihrer umfassenden Politik verfügt Türkiye mit insgesamt 261 Auslandsvertretungen über das drittgrößte Vertretungsnetzwerk der Welt. Türkiye nutzt zahlreiche sich ergänzende Mittel der politischen, wirtschaftlichen, humanitären und kulturellen Zusammenarbeit und betreibt eine Diplomatie, die in globalen Dimensionen denkt, aber in jedem Winkel der Welt örtlich agiert.

Zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstands in der Region strebt Türkiye eine Stärkung der regionalen Vernetzung an. In diesem Rahmen unterstützt sie aktiv die Entwicklung von Verkehrskorridoren in verschiedene Richtungen. Als Energiedrehscheibe und Transitland spielt Türkiye eine entscheidende Rolle für die europäische und globale Energiesicherheit.

Eine der Prioritäten der türkischen Außenpolitik ist es, das globale System gerechter und integrativer zu gestalten. Die Lösung globaler Herausforderungen ist abhängig von gemeinsamen Anstrengungen auf der Grundlage von Zusammenarbeit und wirksamem Multilateralismus. Diese Erkenntnis bestimmt die aktive Diplomatie von Türkiye in multilateralen Foren. Als ein Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), der Gruppe der acht Entwicklungsländer (D-8), der Organisation der Turkstaaten, des Asiatischen Kooperationsdialogs sowie der MIKTA (Mexiko, Indonesien, Korea, Türkiye und Australien) hat Türkiye während ihrer Ratspräsidentschaft allen Organisationen bzw. Formationen zusätzliche Effektivität und Dynamik verleiht.

Als aktives Mitglied der G-20 seit ihrer Gründung stellt Türkiye die Verknüpfung von humanitärer Hilfe und Entwicklung sowie das integrative Wirtschaftswachstum und die gerechte Verteilung in den Vordergrund. Unter dem Motto "Die Welt ist größer als fünf", das von Seiner Exzellenz Präsident Recep Tayyip Erdoğan geprägt wurde, setzt sich Türkiye für eine Reform des UN-Sicherheitsrats und der UN sowie anderer multilateraler Organisationen ein, damit diese den aktuellen Bedürfnissen gerecht werden.

Türkiye positioniert sich in der internationalen Gemeinschaft als eine fürsorgliche Macht. Die sich auf den Menschen fokussierende Staatstradition von Türkiye spiegelt sich auch in ihren entwicklungspolitischen und humanitären Hilfsprogrammen wider. Als Gastgeber des ersten Weltgipfels für humanitäre Hilfe, der 2016 in Istanbul stattfand, ist Türkiye der größte Geber humanitärer Hilfe und das großzügigste Land weltweit, was die Pro-Kopf-Ausgaben für humanitäre Hilfe im Verhältnis zum Nationaleinkommen betrifft.

Die Menschheit wird derzeit von verschiedenen Plagen wie Terrorismus, ethnischem oder religiösem Hass, Diskriminierung, Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie sowie anderen Formen der Ausgrenzung heimgesucht. Bei der Bewältigung solcher weit verbreiteten Bedrohungen betont Türkiye die Notwendigkeit von Transparenz, Vielfalt, Dialog und einer integrativen Politik. Mit diesem Gedanken hat Türkiye eine führende Rolle bei den Bestrebungen übernommen, um den gegenseitigen Respekt und die gemeinsamen Werte zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen zu fördern. Die gemeinsam von Türkiye und Spanien ins Leben gerufene UN-Initiative "Allianz der Zivilisationen" ist eine solide Antwort auf die Szenarien des sogenannten "Kampfes der Kulturen".

Wir arbeiten weiter daran, die Qualität der Dienstleistungen für unsere Bürgerinnen und Bürgern im Ausland kontinuierlich zu verbessern. Wir ermutigen sie zur aktiven Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben der Länder, in denen sie leben, während sie gleichzeitig ihre Bindungen zu ihrem Heimatland und ihrer Kultur aufrechterhalten.

Eine effektive Außenpolitik erfordert es, mit dem Wandel Schritt zu halten und die politischen Mitteln entsprechend zu vervielfältigen. Durch die Entwicklung innovativer Initiativen gestaltet Türkiye die Diplomatie von heute und der Zukunft. Die Initiative "Digitale Diplomatie", die ins Leben gerufen wurde, um die transformative Kraft der Technologie in allen Bereichen der Außenpolitik zu nutzen, zielt darauf ab, die Leistungfähigkeit und Effektivität in allen Bereichen zu steigern, von den konsularischen Diensten bis zur öffentlichen Diplomatie, von der IT-Infrastruktur bis zur strategischen Vorausschau und Analyse.

In ähnlicher Weise wurde das Antalya Diplomatie Forum (ADF) als eine innovative Plattform für den Meinungsaustausch über globale und regionale Themen und die Bereitstellung von Lösungen für wichtige außenpolitische Fragen konzipiert. In kurzer Zeit hat sich das ADF zu einer bekannten Plattform für globale Diplomatie entwickelt. Das 3. ADF-Treffen fand vom 1. bis 3. März 2024 unter dem Thema "Die Diplomatie in Krisenzeiten in den Vordergrund rücken" und unter großer Beteiligung statt.

Ein starkes Türkiye ist ein Garant und eine treibende Kraft für nachhaltigen Frieden und Entwicklung in allen umliegenden Gebieten. Die Verwirklichung der konkreten Ziele, die unter der Führung unseres Präsidenten gesetzt wurden, wird nicht nur die Standards für Frieden und Wohlstand im eigenen Land erhöhen, sondern auch die Beiträge von Türkiye in ihrer Region und darüber hinaus stärken. Unsere nationale Außenpolitik wird weiterhin unsere nationalen Interessen wahren und gleichzeitig zu den gemeinsamen Zielen der Menschheit im "Jahrhundert von Türkiye" beitragen.